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Interview

Die Branchenkonsolidierung im Laufe des Jahres 2025: eine entscheidende Frage?

 

Das Wort hat Frau Isabelle Rosenberg
Relationship Manager - Private Clients bei 1875 Finance     

 

Anfang 2025 haben über 1300 Vermögensverwaltungsgesellschaften ihre FINMA-Bewilligung erhalten. Bisher haben wir aber keinen Trend zur „Konsolidierung“, d.h. zur Fusion von Unternehmen dieses Sektors, festgestellt. Welche Gründe sehen Sie dafür?

Aufgrund unserer Erkenntnisse können wir Ihnen nur zustimmen: Fusionen auf diesem Sektor sind weiterhin sehr selten.

Seit 24 Monaten steht 1875 Finance in regelmässigem Kontakt mit den Mitgliedern des VSV sowie anderen Vermögensverwaltern verschiedener Grösse. Wir tauschen uns sehr häufig über ihre Bedürfnisse und Fragestellungen aus. Dazu gehören insbesondere auch Vermögensverwalter ohne Bewilligung, die an ein Bewilligungsgesuch denken und den Prozess besser verstehen möchten. Aufgrund unserer Erfahrung auf diesem Gebiet, die wir vor über 10 Jahren bei der Beantragung unserer eigenen Bewilligung als Verwalter von Kollektivvermögen erworben haben, können wir, wenn gewünscht, Feedback liefern. Zudem haben wir einen konstruktiven Dialog mit unabhängigen Vermögensverwaltern begonnen, um mögliche Synergien herauszufinden.
Allerdings befinden sich diese Gespräche im Moment noch in der Phase des Meinungsaustauschs.

In den kommenden fünf Jahren werden unserer Ansicht nach die Kosten in Zusammenhang mit Audit und Controlling ein solches Thema sein, dass es als Katalysator für strategische Zusammenschlüsse dienen kann.

 

Manche Unternehmensberater halten es jedoch den neuesten Untersuchungen zufolge für plausibel, dass es zu Konsolidierungen zwischen grossen Gesellschaften sowie auch zwischen grossen und kleinen Gesellschaften kommt. Wir haben ja auch schon in geringem Umfang Fusionen zwischen grossen Unternehmen erlebt. Was ist Ihre Meinung dazu?

In der Tat könnten Fusionen zwischen grösseren Unternehmen oder grossen und mittleren Gesellschaften sowie auch Übernahmen von kleinen Unternehmen stattfinden, insbesondere um bestimmte Betriebskosten wie etwa in der Informatik, in der Compliance oder in der Vermögensverwaltung gemeinsam zu tragen. Die Umsetzung einer solchen Konsolidierung ist jedoch komplex, denn sie erfordert mehr als nur einfach eine gemeinsame finanzielle Ausrichtung.

Damit eine Fusion wirklich erfolgreich ist, braucht es eine klare Komplementarität, eine gemeinsame strategische Zielsetzung und vor allem einer mit beiden Gesellschaften kompatiblen Unternehmenskultur und Geisteshaltung. Diese Elemente sind oft schwierig zu vereinen. Das erklärt, weshalb derartige Vorgänge immer noch relativ selten zu beobachten sind.

 

Könnte Ihr Unternehmen, 1875 Finance, Synergien zwischen grossen und sehr kleinen Gesellschaften in Betracht ziehen?

Ja, 1875 Finance, ist offen für einen Dialog, um potenzielle Synergien herauszufinden, sowohl bei grossen als auch bei kleineren Gesellschaften, in der Schweiz ebenso wie im internationalen Umfeld. Im Übrigen verstärkt unsere Präsenz in Luxemburg diesen grenzüberschreitenden Ansatz.

Wir sehen in diesen Annäherungen eine strategische Chance und einen Wachstumshebel, der beiden Unternehmen zugutekommt, wenn sie sich auf eine klare Komplementarität und gemeinsame Ziele stützen können.

 

Als Expertin auf dem Gebiet der Vermögensverwaltung sind Sie auf die weibliche Kundschaft spezialisiert. Können Sie uns die wichtigsten strategischen Gesichtspunkte nennen, mit denen Sie den Erwartungen der weiblichen Kundschaft gerecht werden?

Meines Erachtens ist es sehr wichtig, die Vermögensverwaltung für Frauen im historischen Kontext zu sehen. Erst seit 1988 haben verheiratete Frauen in der Schweiz das Recht, ein Bankkonto ohne Genehmigung ihres Ehemannes zu eröffnen. Das zeigt im Rückblick, wie neu diese Geschäftstätigkeit noch ist.

Die wichtigsten Tendenzen, die ich beobachte, sind mit dem wachsenden Interesse der Frauen verbunden, ihre Finanzen und ihre Anlageportfolios selbst in die Hand zu nehmen. Was die Investitionen angeht, kann ich - im Gegensatz zu den herrschenden Vorurteilen - keine signifikanten Unterschiede in Bezug auf die Risikotoleranz von Männern und Frauen erkennen. Eine Besonderheit fällt jedoch auf: Die Frauen sind bei ihrer Anlagestrategie eher langfristig orientiert. Die finanzielle Unabhängigkeit ist eine entscheidende Frage, die manche Frauen lieber mit einer Vermögensverwalterin besprechen.

Ein weiterer Punkt, der für die weibliche Kundschaft ins Gewicht fällt, ist der Zugang zu einem Netzwerk weiblicher Fachleute - Rechtsanwältinnen, Steuerberaterinnen oder Notarinnen - damit alle ihre Bedürfnisse berücksichtigt und ihre Interessen gewahrt werden. Ich selbst gehöre dem Komitee der Women‘s Business Society an, einer Organisation, die sich für die Förderung der beruflichen Laufbahn von Frauen einsetzt, und Olivier Bizon, unser Gründer und Teilhaber, ist seit Jahren Mitglied der Jury des Swiss Women Award, der jedes Jahr einer Frau aufgrund ihres aussergewöhnlichen Werdegangs verliehen wird.