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Nachhaltigkeitsregulierung und Finanzmärkte

 

Anjeza Kadilli
Professorin für Finance, Co-Leiterin CAS Sustainable Finance,
HEG-Genève

 

Die Regulierungslandschaft rund um die Welt

Die Regulierung der Nachhaltigkeit gewinnt an Dynamik, insbesondere in der Europäischen Union (EU). Die verschiedenen Vorschriften sind für eine wachsende Zahl von in der EU tätigen Unternehmen, darunter auch KMU, verbindlich geworden. Diese Offenlegungen betreffen die Überwachung des Angebots an nachhaltigen Investitionsmöglichkeiten und die Offenlegung von Informationen über die ökologischen und sozialen Auswirkungen der Unternehmenstätigkeit. Die Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR, Eurosif, 2021) ist eine ab 2021 geltende europäische Verordnung über die Veröffentlichung von Nachhaltigkeitsinformationen im Finanzdienstleistungssektor zu Anlagezwecken. Die EU-Taxonomie (Europäische Kommission, 2020), die 2022 in Kraft trat, legt ein Klassifizierungssystem für ökologisch nachhaltige Unternehmenstätigkeiten fest. Die EU-Richtlinie zur sozialen Verantwortung von Unternehmen (CSRD, Europäische Kommission, 2022), die 2023 in Kraft trat, regelt die sozialen und ökologischen Informationen, die Unternehmen kommunizieren müssen.

In den USA gibt es kein Äquivalent zu den SFDR in Form von Richtlinien für nachhaltige Investitionen. Grosse Finanzinstitute mit einem Vermögen von mehr als 100 Milliarden US-Dollar müssen jedoch die Principles for Climate-Related Financial Risk Management (Federal Reserve, 2022) einhalten und Informationen über ihre klimabezogenen Risiken offenlegen. Im Vereinigten Königreich umfasst der Stewardship Code (UKSC, UK Financial Reporting Council, 2020) die besten Investitionspraktiken für Vermögensbesitzer und -verwalter. Der Companies Act von 2006 verlangt von grossen und mittleren Unternehmen die Offenlegung von ESG-bezogenen Informationen, wie z. B. die Umweltauswirkungen des Unternehmens, soziale Fragen und Strategien.

In der Schweiz haben die Mitglieder der Schweizerischen Bankiervereinigung eine obligatorische Selbstregulierung zu den ESG-Präferenzen der Kunden in die Anlageberatung und das Portfoliomanagement ab 2023 integriert (SBVg, 2022). In ähnlicher Weise hat die Schweizerische Vereinigung für Vermögensverwaltung ihren Mitgliedern eine verpflichtende Selbstregulierung auf institutioneller und Produktebene ab 2023 auferlegt (AMAS, 2022). Darüber hinaus verlangen die Schweizer Behörden in Anlehnung an die Leitlinien der Task Force on Climate-Related Financial Disclosures (TCFD, 2022), dass mittlere und grosse Schweizer Unternehmen ab 2024 über die ESG-Risiken ihrer Geschäftsaktivitäten berichten (Bundesrat, 2022).

Viele Schwellenländer in verschiedenen Regionen haben verbindliche Nachhaltigkeitsvorschriften eingeführt. Einige dieser Vorschriften stammen aus den 2000er (z. B. Argentinien, China, Malaysia) und den 2010er Jahren (z. B. Chile, Ungarn, Indien, Indonesien, Südafrika). Die meisten dieser Vorschriften werden von staatlichen Institutionen erlassen und verlangen die Offenlegung von Informationen im Zusammenhang mit ESG-Themen.

 

Auswirkungen auf finanzielle und nicht-finanzielle Ergebnisse

Es gibt immer mehr Belege dafür, dass Nachhaltigkeitsvorschriften erhebliche Auswirkungen auf eine Reihe von finanziellen und nicht-finanziellen Ergebnissen haben. Einige wichtige Fakten sind die Auswirkungen auf risikobereinigte Renditen, Kapitalkosten, Liquidität und Investitionen. Unternehmen, die die Nachhaltigkeitsvorschriften einhalten, weisen durchschnittlich bessere risikobereinigte Renditen auf, da sie besser gegen kurz- und langfristige Risiken geschützt sein dürften. Dies bedeutet auch, dass diese Unternehmen weiterwachsen können und Zugang zu niedrigeren Finanzierungskosten haben. Ihre Aktien sind leichter handelbar. Ausserdem verlagern sie ihre Investitionen auf innovativere Projekte, um die gesetzlichen Anforderungen zu erfüllen, wie z.B. die Verringerung ihres ökologischen Fussabdrucks.

Die Kohlenstoffemissionen werden von Unternehmen, die zur Einhaltung von Nachhaltigkeitsvorschriften verpflichtet sind, erheblich reduziert, wobei viele auf die Ankündigung der Offenlegung reagieren. Die Kohlenstoffemissionen werden auch von Unternehmen gesenkt, die damit rechnen, dass die gesetzlichen Anforderungen auf sie ausgeweitet werden könnten. Das Verständnis, die Umsetzung und das Ergreifen konkreter Massnahmen zur Einhaltung der Nachhaltigkeitsvorschriften erfordern neue Fähigkeiten und schaffen neue Arbeitsplätze. Die Nachhaltigkeitsvorschriften haben auch die Umstrukturierung der Lieferketten beschleunigt, da die Unternehmen verantwortungsvolle Partnerschaften suchen.

 

Künftige Entwicklungen

Die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeitsregulierung werden sich voraussichtlich über einen langen Zeitraum erstrecken. In der Schweiz müssen sich die potenziellen Auswirkungen der obligatorischen Selbstregulierung der Finanzinstitute durch die Schweizerische Bankiervereinigung (SBVg, 2022) und den Asset Management Verband Schweiz (AMAS, 2022) sowie der gesamtschweizerischen Regulierung für Schweizer Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden auf der Grundlage des TCFD erst noch voll entfalten. Durch die Verflechtung des Finanzsektors erhält die verbindliche europäische Regelung eine globale Dimension, deren Auswirkungen in vollem Umfang zu bewerten sind. Um mehr Investitionen in nachhaltige Projekte anzuziehen, brauchen die Schwellenländer bessere Nachhaltigkeitsrahmen, bei denen die Regulierung eine Schlüsselrolle spielt.

Um effektiver zu sein, muss die Offenlegung der Nachhaltigkeit umfassend und umsetzbar sein. Darüber hinaus sollten die Regulierungsbehörden internationale Vereinbarungen anstreben, die langfristige Standards festlegen, um widerstandsfähigere Lieferketten und Finanzmärkte zu schaffen.

 

 

Biografie

Anjeza Kadilli ist Professorin für Finanzen und Co-Direktorin des Certificate of Advanced Studies in Sustainable Finance an der Haute Ecole de Gestion in Genf. Ihre Forschungsschwerpunkte sind internationale und nachhaltige Finanzen, Makroökonomie und quantitative Methoden. Sie verfügt über mehrjährige Erfahrung als Senior Economist bei Pictet Asset Management in Genf und Zürich. Prof. Kadilli hat einen Doktortitel in Ökonometrie mit Anwendungen im Finanzbereich von der Universität Genf. Ihre Forschung zielt darauf ab, die Kluft zwischen akademischer Forschung und praktischen Anwendungen zu überbrücken.

 

Referenzen

  • Asset Management Verband Schweiz. Selbstregulierung zu Transparenz und Offenlegung bei Kollektivvermögen mit Nachhaltigkeitsbezug, 2022.
  • Bundesrat. Verordnung zur verbindlichen Klimaberichterstattung grosser Unternehmen, 2022.
  • Europäische Kommission. Taxonomie, 2020.
  • Europäische Kommission. Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD), 2022.
  • Eurosif. Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR), 2021.
  • Federal Reserve. Principles for Climate-related Financial Risk Management, 2022.
  • Schweizerische Bankiervereinigung. Richtlinien für die Finanzdienstleister zum Einbezug von ESG-Präferenzen und ESG-Risiken und zur Prävention von Greenwashing bei der Anlageberatung und Vermögensverwaltung, 2022.
  • Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD), Bericht, 2022.
  • UK Financial Reporting Council. UK Stewardship Code, 2020.